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Wasserstudien  Waldnaab

Gumpen 

1988, Bleistift, Kohle, Rötel

29,5 x 41,5 cm

Meine Mutter stammt aus einem großen Hof mit Fischwirtschaft. Wasser und Fische gehören zu meinen frühesten Eindrücken. Unvergesslich – das niedrige, sich tief in den steilen Hang der Paint duckende Fischhäuschen, dessen Inneres nur aus einem einzigen gemauerten Wasserbecken bestand. Im dunklen Raum durchstießen zahllose grüngraue Rücken großer Karpfen die sich kräuselnde Wasserfläche – für mich ein magisches Bild, das sich für immer einbrannte. Auch sehe ich noch den großen Eisenschlüssel in der Hand des Großvaters, der mir die Karpfen zeigte.

Als ich nach Ende meines Studiums wieder aufs Land zog, fand ich in der nordostbayerischen Grenzregion eine Bleibe unmittelbar am Saum der Waldnaab, die als Naab hundert Kilometer weiter südlich in die Donau mündet. Es wäre mir damals nie eingefallen, die Waldnaab, die ich schon von früher kannte, zu fotografieren. Vielmehr interessierte mich, diesen Fluss so oft wie möglich zu besuchen, ihn immer besser kennenzulernen – ein aufgrund seiner phänomenologischen Fülle schier utopisches Unterfangen. Dabei trat zunehmend das Wasser als Wasser in seiner komplexen Tätigkeit in den Fokus meiner Aufmerksamkeit, bis ich irgendwann dem Impuls nachgab, es auch mit zeichnerischen Mitteln zu erkunden. Mir

war sehr wohl bewusst, dass es einem Paradoxon gleichkommt, ein Fließgewässer in der freien Natur mit dem Zeichenstift erfassen zu wollen, ist doch die Hand des Zeichners den unendlichen Formen des bewegten Wassers gegenüber stets

uneinholbar hinterher. Und doch scheint es möglich zu sein, mit sorgfältiger Beobachtung wenigstens eine Art Typik der

sich zeigenden Wasserphänomene zeichnerisch nachzubilden. Auch sah ich zu meiner Verwunderung, dass manche Wasserverwirbelungen, die ich eben zu skizzieren begonnen hatte, sich nach einer Zeit metamorphotisch auflösten und

bald vollends verschwunden waren, um wenig später an gleicher Stelle wieder hervorzutreten und sich neu einzuschwingen begannen, als hätten sie ihren eigenen Rhythmus, eine ganz spezifische Frequenz, aufgrund derer ich den vorhin

abgebrochenen Wirbel nun doch weiterzeichnen konnte. Vielleicht könnte man das zeichnerisch Entstandene letztlich als Bewegungsdiagramme oder Strukturmerkmale des Fließens dieses Flusses bzw. des jeweils beobachteten Flussabschnitts bezeichnen. 

 

Erst als ich mich anhand dieser Studien eingehender mit den komplexen Fließgeschehnissen der Waldnaab vertraut gemacht hatte, schien es mir möglich und legitim, mich dem Wasser nun auch mit der Kamera zu nähern. Doch bis dahin sollten noch weitere fünfzehn Jahre vergehen...

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